Berner in der Welt
Über 2000 Berner suchen ihr Lebensglück Jahr für Jahr im Ausland. Was den Auswanderer heute lockt, war im 18. Jahrhundert nicht anders. Über die Geschichte eines Wagemutigen, für den der Aufbruch Teil eines grösseren Ganzen war.
Ein Neuanfang in der Ferne, ein Richtungswechsel für das eigene Leben. Was manch einen Auswanderer in die weite Welt zieht, war ihm nicht genug – Christoph von Graffenried wollte mehr. Der Berner machte sich 1710 auf, um in Übersee ein zweites Bern zu gründen. Max Werren, Kurator einer Ausstellung über die Gründung von New Bern, spricht im Interview über die Hintergründe.
Christoph von Graffenried war der führende Kopf der Berner Auswanderungsbewegung. Was ist über ihn bekannt?
Der Stadtgründer entstammte einem alten bernischen Ratsgeschlecht mit Sitz auf Schloss Worb. Von Graffenried genoss eine hervorragende Ausbildung, beherrschte die lateinische, französische und englische Sprache und studierte an den Universitäten Heidelberg, Frankfurt und Leiden. An der Universität von Cambridge erwarb er den Titel eines «magister artium». 1684 heiratete er Regina Tscharner, die ihm in der Folge elf Kinder schenkte. Sieben Jahre später wurde er in den Grossen Rat der Stadt und Republik Bern berufen und erhielt 1702 das Amt des Landvogts zu Yverdon.
Das klingt nach einem guten und integrierten Leben. Woher also der Drang, aufzubrechen?
Seine Abneigung gegen Staatsgeschäfte sowie sein sorgloser Umgang mit Geld führten immer wieder zu finanziellen Engpässen und zu Auseinandersetzungen mit seinem Vater. Zudem verspürte Christoph von Graffenried einen ungestillten Drang nach Abenteuer, fremden Kulturen und neuen Herausforderungen. 1709 verliess er Bern und begab sich nach London, wo er sich dank der Unterstützung hoher Kreise die Landkonzessionen sowie den Titel eines Landgrafen von Carolina erwarb.
«Jeder zweite Passagier starb an den Strapazen der Überfahrt.»
Von Graffenried war nicht der einzige Übersiedler in die Neue Welt. Was wissen Sie über die Expeditionen?
In einer ersten Expedition im Januar 1710 reisten etwa 65 Schweizer – mehrheitlich bernische Täufer – mit einer grossen Gruppe von deutschen Pfälzern nach Carolina. Unterwegs verloren sie ein Schiff und wertvolle Güter an französische Piraten. Jeder zweite Passagier starb an den Strapazen der Überfahrt. Besser als der ersten Gruppe erging es den 102 Personen, die zusammen mit Christoph von Graffenried und seinem gleichnamigen Sohn am 11. Juli die Emigration wagten. Auch sie gerieten in die Fänge von Piraten, konnten die Reise aber dank dem Verhandlungsgeschick ihres diplomatischen Anführers von Graffenried fortsetzen.
Wie ist es nach der Ankunft in Carolina mit der Gründung von New Bern vorangegangen?
Ende September 1710 erreichte Christoph von Graffenried zusammen mit seinem Sohn die Landzunge zwischen den Flüssen Neuse und Trent. Ein halbes Jahr vor ihm war bereits die Gruppe von deutschen Auswanderern in der Gegend gelandet. Der unternehmungslustige und umgängliche Berner machte sich unverzüglich an den Bau einer Siedlung und nannte sie New Bern. Probleme mit ansässigen Indianern regelte er einvernehmlich mit deren Anführern und sicherte sich so das Vertrauen der Urbevölkerung.