Mut kommt vor der Angst

Ihr Dienst ist wichtig, der Einsatz gross: Feuerwehrfrau Seline Habegger kämpft an vorderster Front gegen die Gefahr. Über eine Frau, die dann am besten funktioniert, wenn sie über Mut nicht mehr nachdenkt.

Wenn alle anderen das Weite suchen, dann ist sie zur Stelle. Seline Habegger wagt sich vor, wägt ab, sieht der Gefahr ins Auge. Die Feuerwehrfrau hat schon viele Situationen erlebt, die andere höchstens in einem Albtraum durchmachen. Auch darum, weil sie zu denen zählt, die ganz nach vorne gehen. «Entweder leite ich als Front-Gruppenführerin einen Einsatz des Atemschutzes oder bin selbst Teil davon.» Der Atemschutz kommt immer dann zum Zug, wenn bei einem Brand giftige Dämpfe vermutet werden – nur mit Sauerstoffflasche, Maske und Wärmebildkamera darf sich die Feuerwehr dann in ein Gebäude vorwagen. 

Vor elf Jahren ist Seline Habegger zur freiwilligen Feuerwehr gekommen. Viel Erfahrung hat die heute 32-Jährige seither gesammelt. «Das hilft, um bei einem Einsatz ruhiger zu werden. Mut braucht es aber immer.» Der Seeländerin, die heute in Bern wohnt, kommt dabei ihr Naturell zugute. Sie ist eine Frau der Tat, die gerne vorangeht und wenig ängstlich ist. «Das allein reicht aber nicht», weiss die hauptberufliche Brandschutzexpertin, die für ein Ingenieurbüro arbeitet. «Um bei Gefahr richtig und ruhig zu handeln, braucht es konstantes Üben.» Entweder durch den Ernstfall, zu dem sie 20- bis 30-mal im Jahr aufgeboten wird, oder durch die vielen Gruppenübungen.
 

  • Ein Dachstockbrand stellt auch für die Feuerwehr ein Risiko dar – wegen sich lösender Bauteile etwa, die hinunterfallen können.

  • Brandbekämpfung ist immer Teamarbeit – draussen, drinnen und hoch über dem Dach.

Erfahrung hilft nicht immer

Je mehr sie erlebt hat, desto eher weiss Seline Habegger, was sie bei einem nächsten Einsatz erwartet. «Das nimmt Druck, und ich kann eine gewisse Ruhe entwickeln.» Und doch gibt es einige typische Situationen, bei denen Erfahrung nur begrenzt hilft, wo so etwas wie eine Gewöhnung nie eintritt. «Wenn es in einem Keller brennt, dann muss ich richtig Mut aufbringen, um mich hinunter zu wagen.» Anders als in sonstigen Räumen kann im Keller die Hitze nicht entweichen, das kann beim Eintreten schnell sehr gefährlich werden. 

Eine andere Situation, die Seline Habegger nicht vergisst, hat sie in Bümpliz angetroffen: einen brennenden Dachstock, herunterstürzende Bauteile, Menschen, die immer noch ihr Hab und Gut retten wollten. «Ein Haus in diesem Zustand zu betreten, dazu muss man erst einmal Mut fassen.» Damals haben schon wenige Meter im Haus gereicht, um gleich wieder den Rückzug anzutreten – zu gefährlich war die zerfallende Dachkonstruktion. Nicht selten braucht es also zweierlei: Mut, sich einer Gefahr zu stellen, aber auch Mut, um im richtigen Moment Stopp zu sagen.

«Erfahrung hilft, Mut braucht es aber immer.»

Seline Habegger, Feuerwehrfrau


Funktionieren statt denken

Mut ist etwas, was zu einer Feuerwehrfrau wie Seline Habegger untrennbar gehört wie das Löschfahrzeug zum brennenden Haus. Allerdings nur im richtigen Moment. «Wenn ich mich vorbereite oder vor einer Entscheidung stehe, etwas zu tun oder nicht, dann kann Mut ein Thema sein», so die 32-Jährige, «aber nie dann, wenn ich handle». Wenn der Einsatz läuft und die Gefahr am grössten ist, dann muss sie funktionieren, da kann jeder abschweifende Gedanke fatale Konsequenzen nach sich ziehen.

Dass Seline Habegger da gelandet ist, wo sie heute ist – nach den Feuerwehren in Ostermundigen und Bern ist es jetzt jene an ihrem Arbeitsort Biel –, hat viel mit einer Faszination zu tun. «Etwas Sinnvolles für die Allgemeinheit zu machen und dabei eine besondere Form von Gemeinschaft zu erleben, das hat mich immer gereizt.» Ein Vorbild aus ihrem Umfeld, das sich ebenfalls in der Feuerwehr engagiert hätte, gab es nie. Dafür ist sie jetzt selbst eines. Ein Vorbild, das zeigt, wie viel Gutes bewirken kann, wer auf seine Weise Mut zeigt. 

Text: Marc Perler
 

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