Von gut geplanten Abenteuern

Tauchen, klettern und biwakieren – was für viele Sportler selbst im Freien eine Herausforderung ist, machen andere in der Dunkelheit des Berges: Höhlenforscher wie Jan Huggler. Der Berner Oberländer gibt Einblick in seine Passion, bei der er nicht gut daran tut, allein auf Mut zu vertrauen.

Von manchen Naturschönheiten, die das Berner Oberland bietet, wissen auch die neugierigsten Touristen nichts. Zu weit liegen die Bijous im Berg, zu tief stecken sie unter Wasser. Einer der wenigen, die Zugang zu diesen versteckten Paradiesen haben, ist Jan Huggler. 
«Das Niederhornmassiv über dem Beatenberg ist ein gigantisches Höhlenlabyrinth», weiss der gebürtige Brienzer. Nördlich der bekannten Beatushöhlen liegen das Sieben-Hengste-Réseau und der Bärenschacht – sie dürften das längste Höhlensystem Europas bilden, sollte die vermutete Verbindung tatsächlich existieren. 

«Wir machen jedes Jahr neue Entdeckungen in diesen Systemen», erzählt Jan Huggler. Mit seinen Kameraden ist er etwa auf einen unbekannten Teil des Bärenschachtes gestossen: einen langen Gang, mehrere Meter hoch und breit. «Einen solchen Fund mitzuerleben, ist sehr eindrücklich.» Erlebnissen wie diesen gehen jedoch viele Strapazen voraus. Oft sind es Tauchgänge, da die Höhlen über dem Thunersee alle Wasser führen. 


Königsdisziplin Tauchen

Im Berginnern zu tauchen, unterscheidet sich grundlegend von der Erfahrung im See: Oft stehen die Gänge komplett unter Wasser, man spricht dann von einem Siphon. Direktes Auftauchen ist so nicht möglich, einziger Ausweg ist der oft beschwerliche Rückweg. Er ist je nach Höhle mehrere Hundert Meter lang. Nicht zuletzt darum gilt Tauchen in der Höhlenforschung als Königsdisziplin. Ein Unterfangen also einzig für mutige Draufgänger? «Nein», findet Jan Huggler. Mut sei nicht der beste Begleiter. «Ausbildung und gutes Material können das Risiko ein Stück weit kalkulierbar machen.»

Heute engagieren sich die Verbände für ein gut funktionierendes Ausbildungswesen. Auch die Technik ist ein wichtiger Helfer. Wer taucht, wählt einen guten Anzug, Tauchflaschen, dazu einen Tauchcomputer, der Tiefe und Tauchzeit misst und die Dekompression sicherstellt. «Über die Jahre gab es grössere Fortschritte in der Technik», weiss Jan Huggler, das Material sei ausserdem günstiger geworden, weil der Tauchsport heute eine wachsende Anhängerschaft habe. Wer heute in Höhlen taucht, ist darum tendenziell besser gerüstet. «Wie sicher jemand unterwegs ist, hängt trotzdem zum grossen Teil von ihm selbst ab.»
 

  • Jan Huggler (vorne rechts) und eine internationale Truppe nach einer einwöchigen Expedition im Bärenschacht.
    © Katrin Habegger

  • Der Bärenschacht zeichnet sich aus durch viele enge Stellen – vorwärts bewegen ist darum anspruchsvoll.
    © Jeff Wade

  • Auf dem Rücken liegend geht es für Jan Huggler durch eine Zone im Sieben-Hengste-System, die sich nach einer Grabung mit Wasser gefüllt hat.
    © Jeff Wade

  • Zweimal täglich kochen Höhlenforscher im Biwak und verpflegen sich wie hier zwischendurch mit Knäckebrot.
    ​​​​​​​© Jeff Wade

  • Ankommen im Biwak des Bärenschachts, dem Nachtlager während eine Woche Expedition.
    ​​​​​​​© Jeff Wade

  • Im Sieben-Hengste-System tost ein Wasserfall – gleichermassen ein Naturschauspiel und zu überwindendes Hindernis für Höhlenforscher.
    ​​​​​​​​​​​​​​© Georg Taffet

  • Abtauchen in der Grotte de Vallorbe: Die Tauchflaschen seitlich am Körper können bei Bedarf nach vorne geschwenkt werden.
    © Georg Taffet und SGH-B

  • Taucher packen ihr Material aus reissfesten Schleifsäcken aus, um so dem Verschleiss vorzubeugen.
    © Thomas Arbenz

  • Jan Huggler in einem Siphon der Geltenbachhöhle, das je nach Witterung auch ganz unter Wasser steht.
    ​​​​​​​© Diego Sanz

Rettung birgt Risiko 

Jan Huggler sieht sich als besonnenen Höhlengänger. Als 18-Jähriger begleitete er erstmals eine Tour, nachdem ein Arbeitskollege in ihm die Faszination geweckt hatte. Eine Expedition mit Tauchgang wurde erst zum Thema, nachdem er das Brevet im See erlangt hatte. «Wenn es ums Tauchen geht, bin ich immer noch einer, der gut plant und behutsam vorangeht.» Manchmal sind es aber gerade nicht die gewöhnlichen Touren, auf denen sich Höhlenforscher dem grössten Risiko aussetzen – sondern dann, wenn eine Rettung oder gar eine Bergung ansteht. 

Seit einiger Zeit engagiert sich Jan Huggler auch in der Höhlenrettung. «Auch das sehe ich nicht als Mutprobe», sagt der 31-Jährige, aber es sei wichtig zu helfen, weil kein öffentlicher Rettungsdienst diese Aufgabe übernehmen könne. «Wenn ich einmal in Not bin, möchte ich auch, dass mir geholfen wird.» Letztes Jahr hat er im Jura einen Verunfallten nur noch tot bergen können. «Natürlich geht das einem sehr nahe», schaut der Brienzer zurück, der jetzt in Thun lebt. Ein solches Erlebnis stimme nachdenklich; aus Respekt hat er eigene Touren für einige Zeit pausiert. 

Und doch ist aufhören nie ein Thema. Zu stark ist der Reiz, Unbekanntes zu entdecken. So wie es Jan Huggler gelungen ist, im Sieben-Hengste-System einen senkrechten Schacht zu erschliessen. Dazu hat er einen Klettermast aus mehreren Modulen genutzt, dessen unteres Ende er jeweils im Felsen festbohrte, um so Meter für Meter nach oben zu klettern. Diese kühne Art, sich fortzubewegen, hinauf in unbekannte Räume, die niemand je betreten hat, ist auch für den erfahrenen Höhlengänger anspruchsvoll: «Am Ende geht das doch nicht ohne eine Portion Mut.» 

Interview und Text: Marc Perler
 

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