Zurück ins Leben
Das «Glück im Unglück» – ein geflügelter Ausdruck, der auf seine Weise den Alltag von vielen prägt. Besonders jenen von Nick Gaggioli und seiner Familie. Über ein junges Berner Paar, das in den dunkelsten Stunden das grösste Glück erreicht.
Die Kletterwand ist kaum zwei Meter hoch und trotzdem unüberwindbar. Luan Gaggioli, der kleine Knirps mit den grossen Pausbacken, spreizt die Fingerchen, tastet und zappelt. Der Eineinhalbjährige will hoch hinaus. «Da musst du zuerst aber noch wachsen», ruft Mami Andrea Gaggioli ihrem Kleinen zu, der in Papis Armen zum Bergsteiger mutieren will. Eine junge Familie vergnügt sich im Kletterparadies auf dem Berner Gurten beim Spielen zu dritt – so, wie es Dutzende andere Eltern-Kind-Gespanne an diesem Nachmittag tun. Und doch, bei der Familie aus Spiegel bei Bern ist manches anders. Rund neun Monate vor Luans Geburt, im Frühling 2015, dreht sich ihr Leben um 180 Grad.
Nick Gaggioli, damals 34 und Informatiker mit grossen Plänen, ereilt zwei Mal ein Schlaganfall. Im Abstand von zwei Wochen erleidet er einen solchen, ganz ohne Vorwarnung. Seine Freundin Andrea reagiert schnell, die rasche Einweisung ins Spital verhindert das Schlimmste. Und doch ist danach fast alles anders: Die Erkrankung trifft den lebensfrohen Mann schwer, er kann sich nicht bewegen, nicht mehr sprechen. «Nur gerade ein ‹Ja› oder ein ‹Nein› kam noch über seine Lippen», erinnert sich Andrea Gaggioli. Die Frage, ob er lieber einen Kaffee oder einen Tee trinken möchte – sie war für den Schweizer mit zentralamerikanischen Wurzeln anfangs nicht zu beantworten. Eine schwere Zeit, in der die Herausforderungen noch wachsen sollten. Kurz vor dem zweiten Schlaganfall ihres Freundes erreicht die Bürokauffrau die Gewissheit: Sie ist schwanger. Ein Wunschkind zwar, aber der Zeitpunkt macht nachdenklich. «Im ersten Moment habe ich sicher gedacht: Wieso gerade jetzt?», so die heutige Mutter. Wie so oft kommt es noch einmal anders: Der Zustand des werdenden Vaters bessert sich rasch, in manchem schneller als erwartet – das Familienglück, es darf kommen.