Mit allen Wassern gewaschen

Quereinsteiger, Kapitän und Tüftler am historischen Schiff: Patrik Bucher ist vieles. Von einem Mann, der heute auf dem Bielersee sicher unterwegs ist, nachdem ihn einst unbekannte Gewässer gelockt hatten.

Der Blick geht nach vorne, die Hände liegen ruhig am Steuer. Patrik Bucher hat den Überblick, zuvorderst am Bug, unter offenem Himmel. «Unterwegssein gibt mir Freiheit, auch wenn es nur gemächlich vorangeht.» Die Ruhe, mit der er jetzt auf dem Schiff über den Bielersee gleitet, hat er sich hart erarbeitet. Denn am Anfang war da fast nichts – kein Schiff, kein Führerausweis. Das Einzige, was war: ein kleiner Jux. «Mich hat die Idee nicht mehr losgelassen, mein Büro auf dem Wasser einzurichten.» Also hat sich Patrik Bucher auf die Suche gemacht.

Gefunden hat er die «Romandie I». Ein Passagierschiff, 20 Meter lang, aber zu klein, um darauf ein Büro mit Angestellten einzurichten. Losgelassen hat ihn der schwimmende Oldtimer aber nicht mehr. Irgendwann war klar: «Ich möchte das Schiff zurück in sein Heimatgewässer führen und ihm eine neue Bestimmung geben.» Denn hier, im Drei-Seen-Land, schipperte die «Romandie I» schon 1952: zwischen Neuenburg, Biel und auf der Aare nach Solothurn, bis das Schiff fast 50 Jahre lang Gäste auf dem Hallwilersee befördert hat. Statt es dann für immer auszumustern, hat es Patrik Bucher 2009 mithilfe eines Trägervereins zurückgeholt.
 

Hinter der Romantik

Wie aber verliert jemand sein Herz an ein 70 Jahre altes Schiff? Ganz zufällig ist das nicht. «Ich bin auf dem Wasser, seit ich klein bin», erzählt Patrik Bucher. Bereits seine Eltern haben ein Boot mit Schlafplätzen ihr Eigen genannt. «Unterwegs auf dem Wasser bewegt man sich in einem ganz eigenen Kosmos.» Offen sein für alles, anlegen, wo es einen gerade hinzieht – darin liege viel Faszination. Schon immer hat ihn aber auch interessiert, was hinter der Romantik liegt. «Wenn meine Eltern das Schiff im Winter ausgebessert haben, dann war ich dabei.»

Patrik Bucher hat so technisches Wissen gewonnen, das er nur zu gut brauchen konnte. Denn als die «Romandie I» ihren Weg von der Zentralschweiz zurück in den Bieler Hafen gefunden hatte, war der Weg damit noch nicht zu Ende. Es war erst der Anfang. Gut zwei Jahre lang hat der Berner, der seit Studententagen in Biel wohnt, sein Schiff umfassend renoviert. «Gerade das erste Jahr war intensiv», erinnert er sich, «da war ich Tag und Nacht damit beschäftigt.»
 

  • Patrik Bucher ist Kapitän seines eigens renovierten Schiffes
    (Die Bildaufnahme entstand vor Corona)

  • 1952 haben Neuenburger Unternehmer das Schiff für die Flussschifffahrt gebaut.

  • Bis 1960 war die «Romandie I» als Passagierschiff auf den Gewässern zwischen Neuenburg und Solothurn unterwegs.

  • In mühevoller Arbeit hat Patrik Bucher der «Romandie I» vor einigen Jahren ein neues Gesicht gegeben.

  • Heute ist Patrik Bucher (am Steuer in der Mitte) mit seinen Gästen auf dem Bielersee unterwegs. 
    (Die Bildaufnahme entstand vor Corona)

  • Als Kapitän und Gästebetreuer hat Patrik Bucher seine neue Bestimmung gefunden.

Vom Matrosen zum Kapitän

Für Patrik Bucher war klar: Soll das Oldtimerschiff noch eine lange Zukunft vor sich haben, muss er sich richtig ins Zeug legen. Er hat das Schiff auseinandergenommen, den Innenbereich komplett neu aufgebaut. «Es ging aber nie darum, das Alte zu zerstören, sondern für etwas Neues nutzbar zu machen.» Gleichzeitig hat er alles in die Wege geleitet, um als Kapitän sein Schiff selbst steuern zu dürfen. Vor der Führerprüfung hiess das: alle Ausbildungsstufen vom Matrosen bis zum Schiffsführer zu durchlaufen, berufsbegleitend bei der Bielersee Schifffahrtsgesellschaft.

Mehr als zehn Jahre liegt das jetzt zurück. Patrik Bucher weiss aber noch genau, wie er sich damals gefühlt hat. «Das war alles eine Riesenbüetz. Aber wenn etwas stimmig ist, dann gebe ich mich gerne voll rein.» Die Arbeit habe sich gelohnt. Vom kleinen Detail bis zur grossen Idee passe auf der «Romandie I» alles zusammen. Er denke dabei etwa an das nachhaltige Betriebskonzept, das den Bordstrom aus modernen Batterien zieht. An seine Idee, die das Ankern in einer Bucht zu einem geräuschlosen Erlebnis macht. Und an die gute Isolation samt Doppelglasfenstern, die ihn auch im Winter bequem unterwegs sein lässt.

Es sind viele Vorzüge, die Patrik Bucher aber nicht allein geniesst. Wie anno 1952 nehmen auf der «Romandie I» auch heute Gäste Platz. Oft sind es Firmen, die Notwendiges mit dem Angenehmen verbinden. Auch Hochzeiten und runde Geburtstage lassen sich hier feiern, gar Trauerfahrten können abgehalten werden. Norman Hunziker, Spitzenkoch und ehemaliger Teamchef der Schweizer Junioren-Kochnationalmannschaft, kümmert sich um das leibliche Wohl der Mitreisenden.
 

Alles auf eine Karte

Neben seiner Crew ist auch Patrik Bucher bei jeder Fahrt an Bord, ganz vorne am Steuer. Was als etwas schräge Idee vom Büro auf dem Schiff angefangen hat, ist längst in eine Passion übergegangen. Unterwegs zu sein und die Freiheit auf dem Wasser zu spüren, sei das eine. Als Gastgeber besondere Erlebnisse für andere zu schaffen, das andere. «Auf der ‹Romandie I› findet alles zusammen, was mich ausmacht.» Darum setzt Patrik Bucher seit letztem Jahr voll auf die Karte als Schiffsunternehmer, während es in den Jahren zuvor seine Zweitbeschäftigung gewesen war. Ein klares Zeichen dafür, welche Kraft im renovierten Juwel von 1952 noch steckt. Es bringt auch alte Karrieren neu in Schwung.

Text: Marc Perler

Bilder: Adrian Ehrbar und Kulturschiff.ch GmbH 

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